"Übern Berg": Studie zur Suizidprävention von Christian-Doppler-Klinik und Paracelsus Universität vorgestellt

"Übern Berg": Studie zur Suizidprävention von Christian-Doppler-Klinik und Paracelsus Universität vorgestellt

24.08.2012


Die Experten der Studie zur Suizidprävention (v.l.n.r.): Univ.-Prof. Dr. Günter Schiepek, Univ.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek, Univ.-Prof. DDr. Josef Niebauer, MBA, und MMag. Dr. Josef Sturm.


Die interdisziplinäre Studie zur Suizidprävention "Übern Berg" der Salzburger Universitätsklinik Christian-Doppler-Klinik (CDK) und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität beweist, dass Bewegungstherapie, in diesem Fall durch Wandertouren, die Wirkung von Psychotherapie und Psychopharmaka unterstützt. Am 23. August wurden die Ergebnisse nun erstmals der Presse vorgestellt.

Univ.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek, Ärztlicher Direktor der  Christian-Doppler-Klinik, dortiger Leiter des Sonderauftrags Suizidprävention und Leiter des Forschungsprogramms Suizidprävention an der Paracelsus Universität, hatte für die Studie mit dem offiziellen Namen „Physical exercise through mountain hiking in high-risk suicide patients. A randomized crossover trial“ ein hochkarätiges Team von Wissenschaftern zur Verfügung. Univ.-Prof. Dr. Günter Schiepek, Leiter des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung der Paracelsus Universität, Univ.-Prof. DDr. Josef Niebauer, MBA, Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin/Universitätsklinikum Salzburg, Institut für Sportmedizin des Landes Salzburg und Sportmedizin des Olympiazentrums Salzburg-Rif sowie Sportwissenschafter MMag. Dr. Josef Sturm konnten mit der Studie erstmals Schwankungen der psychischen Befindlichkeit nicht nur beobachten, sondern auch verstehen. Das gelang durch die Kombination der täglichen Selbsteinschätzung mit psychologischen Daten (Vorher-Nachher-Fragebogen und Prozesseinschätzung) und sportphysiologischen Messungen.

20 Studienteilnehmer wurden in zwei Gruppen geteilt. Während die eine Gruppe neun Wochen lang wanderte, erhielt die andere Gruppe in dieser Zeit keine Intervention. Nach den neun Wochen wurde gewechselt. Die wandernden Teilnehmer waren angewiesen worden, ohne viel zu reden mit den anderen  Gruppenmitgliedern zu wandern, um das Gruppenerlebnis als Grund zur Verbesserung des Zustands ausschließen zu können. Gemessen wurden die empfundenen Veränderungen bei Hoffnungslosigkeit und Depression. Während der Wanderphasen kam es in beiden Gruppen zur signifikanten Reduktion der Hoffnungslosigkeit, am Ende des Studienzeitraumes war diese deutlich geringer als zu Beginn. Die Depressivität war während der Wanderperioden signifikant geringer, während es in den Nicht-Wanderphase zu einem Anstieg der Depressivität kam. Generell war sie aber nach der Studie wesentlich geringer als am Studienbeginn. Auch die Ausdauerleistung war jeweils deutlich besser als vor der Studie. Am Ende des Wanderprogramms konnten sogar Selbstwert und Schlafqualität verbessert sowie Angst- und Borderlinesymptome reduziert werden. Die Studienteilnehmer berichteten davon, dass sie eine neue Tagesstruktur hatten, mehr Appetit besaßen, mehr Selbstvertrauen und weniger Stress empfanden. 


Univ.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek: "Ziel war es, unsere Patienten durch die körperliche Aktivität beim Bergwandern und das Erlebnis – übern Berg zu gehen – seelisch und körperlich zu stärken."


„Die Studie macht deutlich, dass die Natur, aber auch die menschlichen Begegnungen in der Natur, nach Lebenskrisen gute Effekte haben können“, betont Univ.-Doz. Dr. Reinhold Fartacek. Die Selbsteinschätzung wurde beispielsweise unter Nutzung eines „Synergetischen Navigationssystems“ (SNS) messbar gemacht, das von Univ.-Prof. Dr. Günter Schiepek entwickelt wurde. Mit einem eigens angelegten Online-Fragebogen im SNS wurde täglich über sechs Monate lang die persönliche Befindlichkeit mit 38 Einzelitems in einer Selbsteinschätzung beurteilt. Durch die hochfrequenten Messungen ergab sich eine Verlaufsdarstellung mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Schwankungen und Phasenübergängen. Speziell in den Bereichen Freude und Selbstwertgefühl kam es in der Wanderphase bei vielen Teilnehmern zu einer Steigerung – wobei die Ängstlichkeit  gleichzeitig abnahm.

Trotz des Interesses an einem regelmäßig geführten Wanderprogramm für Depressions- und Suizidpatienten ist die Weiterführung nicht geplant. Fartacek will jedoch Alpinvereine und die Gebietskrankenkasse anregen, ein solches Programm auf die Beine zu stellen.