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Mütterlicher Stress, Mentalisieren und kindliche Regulation: Ein psychosoziales Mediationsmodell
PMU Autor*in
Selina Ismair
Alle Autor*innen
Selina Ismair
Kurzfassung
Regulatorische Probleme im Säuglingsalter – wie exzessives Schreien, Schlaf- oder Fütterschwierigkeiten – betreffen bis zu 20 % der Familien im ersten Lebensjahr und stellen eine zentrale Herausforderung für Eltern und Fachkräfte dar. Mütterlicher Stress in der Perinatalzeit gilt als gut belegter Risikofaktor für die Entstehung solcher Regulationsschwierigkeiten beim Kind. Während bisherige Forschung vor allem biologische Erklärungsansätze – etwa epigenetische oder neurophysiologische Mechanismen – in den Fokus rückte, sind psychosoziale Prozesse bislang weniger untersucht. Vor dem Hintergrund wechselseitiger Zusammenhänge zwischen Stress und Mentalisieren – also der Fähigkeit, Gedanken, Gefühle und Handlungsabsichten von sich selbst und anderen zu verstehen – untersuchten wir elterliches Mentalisieren als potenziellen vermittelnden Mechanismus im Zusammenhang zwischen frühem mütterlichem Stress und kindlicher Regulationsfähigkeit.Analysiert wurden längsschnittliche Daten von 73 Müttern, die 1–5 Tage nach der Geburt (T1) sowie erneut 3–5 Monate postpartum (T2) befragt wurden. Mütterlicher Stress wurde zu T1 mit der deutschen Version der Perceived Stress Scale erfasst, elterliches Mentalisieren zu T2 über die Subskala „Prämentalisierung“ der deutschen Validierung des Parental Reflective Functioning Questionnairesowie kindliche Regulationsprobleme mit dem Fragebogen zu Schreien, Füttern und Schlafen. Die Mediationsanalyse erfolgte mit dem PROCESS-Modell 4.Vorläufige Ergebnisse zeigen, dass früher mütterlicher Stress signifikant mit stärkeren Regulationsproblemen des Kindes zu T2 assoziiert war (b = .0175, p= .012). Zudem war Stress mit höheren Prämentalisierungstendenzen verbunden (b = .0444, p = .010), die wiederrum mit verstärkten Regulationsschwierigkeiten einhergingen (b = .0967, p = .042). Der indirekte Effekt war signifikant (b = .0043, 95% KI [0.0003, 0.0111]) mit einem kleinen bis moderaten standardisierten Effekt (β = .072).Die Befunde heben die Bedeutung elterlichen Mentalisierens als möglichen psychosozialen Vermittlungsmechanismus hervor. Eine frühzeitige Erfassung von Stress und Mentalisierungsfähigkeit könnte dabei helfen, gezielte Interventionen zu entwickeln, um langfristige Regulationsprobleme zu verhindern und die Eltern-Kind-Interaktion nachhaltig zu stärken.
Keywords
MÜTTERLICHER STRESS, ELTERLICHES MENTALISIEREN, KINDLICHE REGULATION