Forschungsprojekt von PMU und Unfallklinik Murnau erhält Wings-for-Life-Forschungsförderung

Forschungsprojekt von PMU und Unfallklinik Murnau erhält Wings-for-Life-Forschungsförderung

12.08.2022

Mit 100 Betten und einer über 50-jährigen Expertise ist das Zentrum für Rückenmarkverletzte mit Neuro-Urologie der BG Unfallklinik Murnau eine der größten Spezialbehandlungseinrichtungen für Menschen mit einer Querschnittlähmung in Europa. Die seit vielen Jahren bestehende wissenschaftliche Kooperation zwischen dem Murnauer Traumazentrum und der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität (PMU) Salzburg wurde im Dezember 2019 mit dem Projekt „ParaMove“ um die Therapieentwicklung bei Rückenmarkverletzungen ausgebaut.

Nach einem umfangreichen Bewerbungsverfahren erhält das ParaMove-Projektteam nun für die Jahre 2022 bis 2024 eine Forschungsförderung der Wings-for-Life-Stiftung, die weltweit aussichtsreiche Forschungsprojekte und klinische Studien zur Heilung des verletzten Rückenmarks fördert. Im nun finanzierten Forschungsprojekt wird untersucht, wie sich frühe pharmakologische Interventionen auf die neurologische Rehabilitation nach traumatischer Rückenmarkverletzung auswirken.

Iris Leister, PhD vom Institut für Molekulare Regenerative Medizin des Spinal Cord Injury and Tissue Regeneration Center Salzburg (SCI-TReCS) der PMU ist die wissenschaftliche Leiterin des ParaMove-Teams. Im BG-Kliniken-Interview spricht sie über das Forschungsprojekt und die potentiellen Verbesserungen für die Behandlung der betroffenen Patientinnen und Patienten:

Iris Leister, PhD ist die wissenschaftliche Leiterin des ParaMove-Projektteams / Bild: BG Klinikum Murnau gGmbH

Frau Dr. Leister, stellvertretend für die Forschungsgruppe des Zentrums für Rückenmarkverletzte mit Neuro-Urologie der BG Unfallklinik Murnau haben Sie die Förderung der Wings for Life-Stiftung für wissenschaftliche Leistungen im Bereich Rückenmarkverletzungen erhalten. Sie selbst sind Expertin für Datenanalysen in medizinischen Studien. Worum geht es im aktuellen Forschungsprojekt?

Leister: Das Projekt ist ein gutes Beispiel für praxisrelevante, wissenschaftliche Arbeit auf höchstem Niveau, da wegweisende Basisforschung in die Klinik übertragen wurde. Die enge Zusammenarbeit der Klinik mit der Universität ist seit vielen Jahren etabliert, das Projekt ist als Pilot in dieser Form bisher aber einzigartig. Seit März 2021 analysiere ich zusammen mit dem bestehenden Forschungsteam Daten und unterstütze forschende Ärztinnen und Ärzte sowie die gemeinsame Netzwerkarbeit mit dem Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis zu transferieren. 

Wie sieht die Arbeit konkret aus?

Leister: Ein Stück weit verstehen wir uns sicherlich als ‚Daten-Jongleure‘. Für unsere Arbeit beschäftigen wir uns mit umfangreichen medizinischen Datensätzen und deren Analyse. Die Daten stammen aus medizinischen Registern sowie aus Patienten- und Patientinnen-Akten und werden anonymisiert verarbeitet. Sie dokumentieren beispielsweise Schmerzen, Untersuchungsergebnisse und Behandlungsverläufe von Menschen mit Rückenmarkverletzungen. Für das Projekt werden wir die Daten von rund 800 Patientinnen und Patienten aus den vergangenen zehn Jahren untersuchen. Wir erwarten einen Datensatz im Umfang von etwa 64 Millionen Datenpunkten. 

Was ist die Besonderheit und wie kam es zu diesem Projekt?

Leister: Von jährlich bis zu 4.000 Publikationen in der Grundlagenforschung zur Regeneration im neurologischen Bereich gibt es kaum Forschungsergebnisse, die bei den Betroffenen ankommen. Das sollte sich grundlegend ändern. Ein besonderes Highlight ist daher sicherlich die enge, sehr intensive Verzahnung von Wissenschaft und Praxis. Erstmals sollten also wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis gelangen. Primäres Ziel des aktuellen Projektes ist es nun zu untersuchen, wie sich etwa die kontinuierliche Überwachung des arteriellen Blutdrucks und dessen medikamentöse Einstellung auf die neurologische Rehabilitation auswirken. Zudem soll analysiert werden, wie sich die Gabe von Medikamenten, insbesondere Schmerzmitteln, auf die neurologische Regeneration auswirkt. Das passiert bereits in der sehr sensiblen Phase während des Intensivaufenthaltes der Betroffenen, unmittelbar nach dem Trauma. 

Welche Bedeutung hat das Zentrum für Rückenmarkverletzte mit Neuro-Urologie für die Betroffenen?

Leister: Der Kompetenzbereich ist europaweit eine der größten und bedeutendsten Spezialbehandlungseinrichtungen für Menschen mit Rückenmarkverletzungen und genießt international hohes Ansehen. Hier werden Patientinnen und Patienten aller Verletzungsmuster von der Unfallstelle bis zur Wiedereingliederung in das eigene Leben durch ein multiprofessionelles Team begleitet. Die Murnauer Expertinnen und Experten widmen sich seit Jahrzehnten auch der wissenschaftlichen Forschung, um die Behandlungsmöglichkeiten und dadurch das Leben der Betroffenen, beispielsweise über deren Arm- und Beinfunktionen, stetig weiter zu verbessern.

Wie werden die finanziellen Mittel von Wings for Life investiert?

Leister: Die Förderung ist zweckgebunden und basiert auf dem von uns beantragten Budget, das über einen Zeitraum von drei Jahren, beispielsweise für weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Forschungsreisen und Kongresse, Arbeitsmaterialien (wie z.B. Computer, Speicherplätze, sowie Logistik) verwendet werden darf.

Wie geht es weiter, was erlaubt der Blick in die Zukunft?

Leister: Als Forschende sind wir stets bemüht, unsere Expertise in die Breite zu transportieren. Als BG Unfallklinik Murnau profitieren wir von hervorragender, gewachsener Expertise und einem der größten Zentren für Rückenmarkverletzte mit extrem engmaschiger Versorgung in Europa. Das in so einem Setting generierte Datenvolumen ist nahezu perfekt, weswegen wir international mit einem großen Vorsprung arbeiten werden. Ende des Jahres sollten wir einen Datensatz kreiert haben, mit dem wir arbeiten, programmieren und rechnen können. Wir hoffen und glauben, dass wir in zirka zwei Jahren über einen ersten Überblick unserer Analysen verfügen.

Worauf sind Sie stolz?

Leister: Mit diesem weltweit wohl größten Datenschatz und in diesem besonderen Umfeld arbeiten zu dürfen, ist phantastisch und für die Zukunft des Arbeitsfeldes großartig. Mit dem Start des Projektes wurde ein wichtiger Grundstein gelegt, dem übergeordneten Ziel, neue und passgenaue Therapiekonzepte zu entwickeln, einen enormen Schritt näher zu kommen.

Quelle: https://www.bg-kliniken.de/unfallklinik-murnau/ueber-uns/bg-klinikum-murnau/aktuelles/detail/forschungsfoerderung-sichert-transfer-wissenschaftlicher-erkenntnisse-in-die-praxis/

Weitere Informationen über das ParaMove-Forschungsprojekt:
www.wingsforlife.com/de/forschung/fruehzeitige-vorhersageparameter-neurologischer-erholung-5326/


Bereits drittes von Wings for Life gefördertes Forschungsprojekt

Das ParaMove-Projekt ist das dritte von der Wings-for-Life-Stiftung geförderte Forschungsprojekt mit Beteiligung des Spinal Cord Injury and Tissue Regeneration Center Salzburg (SCI-TReCS) der PMU. Mehr Informationen: