Paracelsus Medizinische Privatuniversität (PMU)
Smart.Baby Studie
PMU / Patrick Daxenbichler

Wenn das Smartphone dazwischenkommt: Die aktuelle Studie "Smart.Baby" zeigt, was bei Mama und Baby passiert

16. Dez. 2025
#Institut für Early Life Care
Smart.Baby Studie
PMU / Patrick Daxenbichler

Ein kurzer Blick aufs Handy. Eine Nachricht beantworten, schnell etwas nachschlagen, einen Termin verschieben. Situationen wie diese gehören für die meisten Eltern zum Alltag – auch dann, wenn das Baby direkt vor ihnen liegt. Smartphones sind ständige Begleiter geworden: Organisationstool, Kommunikationsmittel, Informationsquelle und manchmal auch kleine Auszeit. Doch was passiert eigentlich in diesen Momenten mit dem Baby? Und was mit der Mutter selbst?

Diesen Fragen ist das Forschungsteam des Early Life Care Instituts der PMU Salzburg in der Studie „Smart.Baby“ nachgegangen. Die nun veröffentlichte Arbeit liefert erstmals differenzierte Einblicke, wie sich die Smartphone-Nutzung von Müttern gleichzeitig auf Verhalten und physiologische Stressreaktionen von Mutter und Kind auswirkt.
 

Smartphones im Familienalltag: Realität statt Laborideal

Smartphones sind aus dem Alltag moderner Familien nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig mehren sich gesellschaftliche Debatten darüber, ob und wie die Smartphone-Nutzung die Interaktion zwischen Eltern und Kindern beeinflusst.

Frühere Studien haben sich bereits mit kindlichen Reaktionen auf elterliche Ablenkung beschäftigt – häufig jedoch unter stark künstlichen Bedingungen. In vielen Untersuchungen wurden Eltern beispielsweise angewiesen, ihre Kinder während der Smartphone-Nutzung vollständig zu ignorieren. Solche Designs liefern zwar wichtige Erkenntnisse, bilden den Alltag jedoch nur eingeschränkt ab.

Genau hier setzt die Smart.Baby-Studie an: „Uns war wichtig, eine möglichst alltagsnahe Situation zu schaffen“, erklärt Dr.in Antonia Dinzinger, Studienleiterin und Forscherin am Early Life Care Institut. „Im realen Leben ignorieren Eltern ihre Babys nicht bewusst. Vielmehr teilen sie ihre Aufmerksamkeit – zwischen Kind, Smartphone und anderen Anforderungen. Diese Realität wollten wir wissenschaftlich untersuchen.“
 

Die Studie: Nähe, Unterbrechung und Wiedergutmachung

Im Videolabor des Early Life Care Instituts wurden 67 Mütter mit ihren Babys bei alltagsnahen Spielsituationen begleitet. Die Mütter spielten mit ihren Kindern so, wie sie es auch von zuhause kennen. Dieses Spiel wurde anschließend durch zwei unterschiedliche Interaktionsunterbrechungen gestört – in zufälliger Reihenfolge, um Reihenfolgeeffekte auszuschließen:

  • Still-Face-Phase: Die Mutter blickt ihr Baby an, reagiert jedoch nicht auf dessen Signale – eine klassische, gut erforschte Stresssituation für Säuglinge.
  • Smartphone-Phase: Die Mutter bearbeitet ein Kreuzworträtsel am Smartphone – eine Aufgabe, die eine typische alltägliche Nutzung widerspiegelt und eine geteilte Aufmerksamkeit ermöglicht.

Währenddessen erfasste das Forschungsteam sowohl das Verhalten als auch die physiologischen Reaktionen von Mutter und Kind. Beobachtet wurden unter anderem Blickkontakt, Sprache und Berührung der Mutter sowie Protest, Weinen und Selbstregulationsverhalten der Babys (z.B. Daumennuckeln).

Zusätzlich wurde mittels EKG die Herzfrequenz und parasympathische Aktivität gemessen. Dies sind objektive Indikatoren für Stress und Entspannung.
 

Zentrales Ergebnis: Entspannung bei der Mutter – Stress beim Baby

Die Ergebnisse zeichnen ein klares, aber differenziertes Bild. Während der Smartphone-Nutzung zeigte sich bei den Müttern eine kurzfristige physiologische Entspannung. Ihre Herzfrequenz sank, das parasympathische Nervensystem wurde aktiver – ein Zeichen von kurzfristiger Erholung.

Ganz anders reagierten die Babys. „Für die Kinder stellte die Unterbrechung der Interaktion eine deutliche Stresssituation dar“, erklärt Dinzinger. „Das sehen wir sowohl im Verhalten als auch in der Physiologie.“ Die Babys reagierten mit vermehrtem Protest, Weinen und erhöhter Herzfrequenz. Besonders bemerkenswert: Die Stressreaktionen der Babys während der Smartphone-Nutzung waren vergleichbar mit jenen in der Still-Face-Situation, also dem gezielten Ignorieren.

Damit zeigt die Studie erstmals, dass bereits kurzfristige, alltagsnahe Unterbrechungen der Interaktion für Babys belastend sein können – selbst dann, wenn die Mutter nicht vollständig abwesend ist.
 

Fein abgestimmtes Zusammenspiel – und gegenläufige Prozesse

Ein weiterer zentraler Befund betrifft das zeitliche Zusammenspiel von Mutter und Kind. Die Herzfrequenzverläufe zeigten, dass die physiologischen Reaktionen miteinander verbunden, aber gegenläufig sind: 

Greift die Mutter zum Smartphone, entspannt sich ihr Nervensystem – während das des Babys in Stress gerät. 
Diese Ergebnisse unterstreichen, wie fein abgestimmt die Mutter-Kind-Interaktion in der frühen Kindheit ist. Babys sind hochsensibel für Veränderungen in Aufmerksamkeit, Blickkontakt und emotionaler Verfügbarkeit ihrer Bezugspersonen.
 

Die Bedeutung der frühen Kindheit: ein sensibles Zeitfenster

Gerade im frühen Lebensalter sind Kinder vollständig auf die emotionale Verfügbarkeit ihrer Bezugspersonen angewiesen. Positive Interaktionserfahrungen – Blickkontakt, Stimme, Berührung – bilden die Grundlage für Stressregulation, Bindungssicherheit und spätere soziale und emotionale Entwicklung.

Das Early Life Care Institut widmet sich genau diesem sensiblen Zeitfenster der frühen Kindheit. Ziel der Forschung ist es nicht, neue Belastungen zu schaffen oder Schuld zuzuschreiben, sondern ein besseres Verständnis für jene Prozesse zu entwickeln, die frühe Entwicklung prägen.

„Es geht nicht darum, Smartphones zu verteufeln“, betont Dinzinger. „Sie sind Teil unseres Alltags. Entscheidend ist, wie bewusst und reflektiert sie genutzt werden – besonders in sensiblen Interaktionsmomenten.“
 

Reparatur statt Perfektion: Warum Wiedergutmachung zählt

Ein besonders wichtiger Aspekt der Studie war der Blick auf das Verhalten nach der Unterbrechung. In der Entwicklungspsychologie ist gut belegt, dass nicht perfekte Interaktion entscheidend ist, sondern die Fähigkeit zur Reparatur.

Nach einer Unterbrechung zeigten Mütter nach der Still-Face-Situation etwas mehr Bemühungen, wieder in Kontakt zu kommen – etwa durch Sprache oder Berührung – als nach der Smartphone-Nutzung.

„Eltern können und müssen ihren Kindern nicht immer ungeteilte Aufmerksamkeit schenken“, erklärt Dinzinger. „Aber es macht einen Unterschied, ob nach einer Ablenkung wieder bewusst Kontakt aufgenommen wird.“

Diese bewusste Wiederherstellung der Interaktion wirkt regulierend und schützt davor, dass kurzfristiger Stress zu einer dauerhaften Belastung wird.

 

Reflektierte Smartphone-Nutzung als Ressource

Die Wissenschaftlerinnen des Instituts sprechen sich für einen achtsamen, reflektierten Umgang mit Smartphones im Familienalltag aus:

  • nicht nebenbei und permanent,
  • nicht aus Gewohnheit oder „Doomscrolling“,
  • sondern gezielt, zur richtigen Zeit und im passenden Ausmaß.

Gerade auch für Eltern selbst kann eine bewusste Nutzung entlastend sein. Ständiges Task-Switching – also der Wechsel zwischen Baby, Smartphone und anderen Anforderungen – ist nachweislich stressfördernd. Eine klare Entscheidung wann und wie lange das Smartphone genutzt wird, kann sowohl Eltern als auch Kindern zugutekommen.

 

Wissenschaft mit gesellschaftlicher Relevanz

Mit der Smart.Baby-Studie leistet das Early Life Care Institut einen wichtigen Beitrag zur aktuellen Diskussion rund um Digitalisierung und frühe Kindheit. Die Kombination aus Verhaltensbeobachtung und physiologischen Messungen erlaubt eine differenzierte Sichtweise jenseits von Alarmismus oder Bagatellisierung.

Die Studie wurde im Fachjournal Infant and Child Development veröffentlicht und ist online zugänglich.

Smart.Baby Studie - die Ergebnisse
Smart.Baby Studie: Kindliches Protestverhalten
© PMU
Smart.Baby Studie: Kindliches Protestverhalten
Smart.Baby Studie: Kindliche Herzrate
© PMU
Smart.Baby Studie: Kindliche Herzrate
Smart.Baby Studie: Mütterliche Herzrate
© PMU
Smart.Baby Studie: Mütterliche Herzrate
Smart.Baby Studie
© PMU / Patrick Daxenbichler
Smart.Baby Studie: Forscherin Antonia Dinzinger mit Testpersonen
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Mitmachen erwünscht: Smart.Daddy-Studie startet

Wie wirkt sich Smartphone-Nutzung bei Vätern aus?
Dieser Frage geht das Early Life Care Institut aktuell in der Folgestudie Smart.Daddy nach.

Gesucht werden Väter mit Babys im Alter von 4–7 Monaten, die gemeinsam mit ihrem Kind an der Studie teilnehmen möchten. Untersucht wird, wie sich väterliche Smartphone-Nutzung auf Stress, Regulation und Interaktion auswirkt – und ob es spezifische Schutzfaktoren für Kinder gibt.

  • Studienlaufzeit: bis voraussichtlich April 2026
  • Ort: Early Life Care Institut, PMU Salzburg

Mehr Informationen & Anmeldung zur Smart.Daddy Studie gibt es hier!